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Kopflos - wenn das Pferd durchgeht

  • von Svenja Stuck
  • 03 Dez., 2022

Richtig reagieren, wenn das Pferd durchgeht

Starrer Blick nach vorne, erhobener Kopf und Vollgas – auf einem durchgehenden Pferd zu sitzen gehört wohl zu den Horrorszenarien der meisten Reiter. Doch was tun, wenn das Pferd wirklich durchgeht? Und gibt es eine Möglichkeit, dass Durchgehen im Vorfeld zu verhindern? 

Ich selbst kenne das Gefühl der absoluten Machtlosigkeit auf einem durchgehenden Pferd nur allzu gut – eine frühere Reitbeteiligung von mir war ein notorischer Durchgänger. Vor jedem Galopp habe ich ein Stoßgebet zum Himmel geschickt, dass es nicht schon wieder passiert. Genutzt hat es selten etwas. Heute weiß ich, dass ich damals viel falsch gemacht habe und vieles übersehen habe. Damit Euch das nicht auch passiert, habe ich hier alle wichtigen Infos zum Thema Durchgehen für Euch zusammengefasst.
Warum gehen Pferde durch? 
 
Ebenso wie beim Buckeln, gibt es auch für das Durchgehen eine Vielzahl an möglichen Ursachen. Diese können je nach Pferd und Charakter ganz unterschiedlich ausfallen. 
 
(Ein häufiger Grund ist jedoch, dass sich ein Pferd schlicht und ergreifend vor etwas erschreckt und flieht.) Ein durchgehendes Pferd, egal wie es zum Durchgehen gekommen ist, befindet sich im kompletten Fluchtmodus. Die analytische, linke Gehirnhälfte ist abgeschaltet und es handelt nur noch rein instinktiv. Und dieser Instinkt sagt: Du musst weg und zwar so schnell wie möglich! 
 
Ausgelöst werden kann diese instinktive Handlungsweise zum Beispiel durch Erschrecken. Das Pferd erschreckt sich vor einem Gegenstand, einer Bewegung oder ein Geräusch so sehr, dass der Fluchtinstinkt einsetzt. Auch Schmerzen können eine Ursache dafür sein, dass Pferde kopflos losrennen. Drückt zum Beispiel der Sattel auf einen ohnehin schmerzenden Rücken, kann auch dieser Schmerzreiz zum Fluchtreflex und damit zum Durchgehen des Pferdes führen. Bei meiner ehemaligen Reitbeteiligung wurden später Kissing Spines diagnostiziert. Kein Wunder also, dass die arme Maus unterm Sattel wahnsinnige Schmerzen hatte, denen die zu entkommen versuchte. Damals wusste ich leider noch nicht wie sich Rückenschmerz zeigen. 
Mehr zum Thema Rückenprobleme beim Pferd erfährst Du in diesem Artikel.
 
Seltener kommt es vor, dass sich Pferde "heiß rennen", also im Galopp ohne erkennbaren Grund plötzlich immer schneller werden und nicht mehr zu kontrollieren sind. Doch auch das kommt vor. Auch hier spielt der Fluchtreflex eine Rolle. Es kann passieren, dass durch das Laufen selbst Adrenalin und andere Botenstoffe im Pferd ausgeschüttet werden, die zum instinktiven Durchgehend führen. Dies passiert besonders dann, wenn zwei oder mehr Pferde zusammen unterwegs sind, da dann zusätzlich noch der Herdentrieb greift.  
 
Hier gibt es allerdings einen Unterschied zwischen tatsächlichen durchgehen Pferden und Pferden, die einfach ein Wettrennen miteinander veranstalten, zudem die Reiter kurzerhand ausgeladen werden. Hier liegt dann eher ein Brems- und Kommunikationsproblem zwischen Pferd und Reiter vor, das grundlegend geklärt werden sollte. Ein unsicherer Reiter, der im Galopp unruhig wird oder sogar anfängt zu klammern, kann eine Ursache dafür sein, dass ein Pferd scheinbar grundlos aus dem Galopp durchgeht. 
Früherkennung – das Pferd stoppen, bevor es durchgeht 
 
Erschreckt sich Dein Pferd nicht komplett unvorhersehbar, gibt es in der Regel einige Anzeichen dafür, dass es im Begriff ist durchzugehen. Kannst Du diese Zeichen lesen, stehen die Chancen gut, dass Du Dein Pferd stoppen kannst, bevor es tatsächlich durchgeht. 
 
Wie oben erklärt, entsteht das Durchgehend dem Fluchtreflex. Der Körper des Pferdes schaltet also in einen Modus, indem das schnelle Weglaufen das Wichtigste ist. Die Muskulatur spannt sich an, der Hals richtet sich auf und der Kopf geht nach oben. Das Pferd beginnt einen Punkt in der Ferne zu fixieren und nach vorne zu ziehen. Die Herzschlagfrequenz erhöht sich und auch der Atem wird schneller. 
 
Bemerkst Du diese Anzeichen, solltest Du versuchen Dein Pferd zu beruhigen und es abzubremsen, um zu verhindern, dass der Instinkt komplett die Kontrolle übernimmt und Du sie verlierst. Werde hierbei aber auf keinen Fall unruhig oder hektisch. Dieses Gefühl können sich aufs Pferd übertragen und die Situation noch verschlimmern. Atme durch und gib klare, ruhige Hilfen.  
Ein durchgehendes Pferd bremsen 
 
Doch was, wenn Dein Pferd (trotz aller Vorsicht) doch einmal durchgeht? Dann ist vor allem eins besonders wichtig: Ruhe bewahren. 
 
Gerät der Reiter in einer solchen Situation in Panik, wird alles nur noch schlimmer. Deine Panik verstärkt die Panik des Pferdes und Du kannst nicht mehr klar denken. Also erst einmal durchatmen. 
 
Atme in ruhigen, tiefen Zügen ein und aus. Das beruhigt Dich und kann sich zugleich auch positiv auf Dein Pferd auswirken. Setz Dich tief und schwer in den Sattel und versuche so Dein Pferd mit Gewichtshilfen dazu zu bringen, langsamer zu werden. Leider lehnen sich viele Reiter auf einem durchgehenden Pferd aus Reflex nach vorne oder gehen sogar komplett in den leichten Sitz um die Balance besser halten zu können. Dadurch gibst Du dem Pferd aber nur den Rücken frei, wodurch es ungehindert weiterlaufen kann. Im schlimmsten Fall drückt der Reiter hierbei sogar noch die Beine ans Pferd und klemmt sich fest, was das Pferd ungewollt weiter vorwärtstreibt. Ein weiterer Reflex viele Reiter ist es in einer solchen Situation an beiden Zügeln zu ziehen. Das hat in der Regel allerdings nur die Wirkung, dass das Pferd durch den entstehenden Schmerz noch weiter angestachelt wird. Versuche eher wechselnde Paraden an jeweils einem Züge zu geben. So bringst Du das Pferd vielleicht in eine leichte Biegung, tust ihm nicht weh und kannst eher zu ihm durchdringen. 
 
Du kannst Deinem Pferd das Laufen und somit auch das Durchgehend weiter erschweren, indem Du es gegen einen Berg oder Hügel länkst, so dass es bergauf laufen muss. Alternativ eignen sich auch tiefe Böden oder Wasser. Bei tiefen Böden musst Du allerdings aufpassen, dass Dein Pferd nicht stecken bleibt oder stolpern kann. Das wäre in vollem Galopp lebensgefährlich. 
 
Auch mit einem Notstopp, bei dem Du Deinem Pferd den Kopf seitlich rum nimmst, wäre ich bei diesem Tempo sehr vorsichtig. Die Gefahr ist groß, dass Dein Pferd das Gleichgewicht verliert und ihr Euch gemeinsam überschlagt. Versuche eher, Dein durchgehendes Pferd zum Beispiel auf einem Feld auf einen großen Zirkel bzw. eine große Kreisbahn zu lenken. Durch die gebogene Form kann ein Pferd nicht mehr allzu schnell vorwärts laufen und Du bringst es nicht so schnell aus dem Gleichgewicht. Indem Du den Zirkel nach und nach verkleinerst, kannst Du Dein Pferd immer weiter ausbremsen. 
 
Klappt das alles nicht und Du kommst gar nicht mehr zu Deinem Pferd durch, versuche es auf einen Weg zu lenken, auf dem es sich ausrennen kann. Das heißt, dass es solange rennen kann, bis ich das Adrenalin im Blut soweit abgebaut hat, dass es in der Lage ist, sich von selbst wieder etwas zu beruhigen. Ich bin kein großer Fan dieser Methode und würde sie auch nur als allerletzten Ausweg nehmen. Selbst auf einem überschaubaren Weg, können unvorhersehbare Dinge passieren oder Fußgänger auftauchen, die im Renntempo sehr gefährlich werden können. Manchmal geht es aber einfach nicht anders. Auch hier ist wichtig, dass Du ruhig bleibst, gleichmäßig atmest und Dich tief in den Sattel des. 

Übrigens, je besser Dein Pferd allgemein auf Deine Hilfen reagiert, desto größer sind Deine Chancen, dass es dies auch in Notsituationen tut. Es ist also immer wichtig und hilfreich an der Durchlässigkeit Deines Pferdes zu arbeiten und dafür zu sorgen, dass es so fein wir möglich wird. 

Ein Plädoyer für feine Hilfengebung

Das Schlimmste, was die mit einem durchgehenden Pferd passieren kann, ist dass es mit Dir auf eine Straße oder ähnlich rennt. In diesem Fall gibt nur eines: abspringen!  
Versuche einen möglichst weichen Untergrund, wie zum Beispiel eine Wiese, Matsch, ein Gebüsch oder ähnliches, zu finden, auf den Du Dich fallen lassen kannst. Hier ist die Verletzungsgefahr geringer als auf harten Böden wie Asphalt. Versuche Dich beim Sturz abzurollen und nicht flach auf den Boden zu fallen und so weit wie möglich vom Pferd weg zu landen, damit es Dich nicht aus Versehen im Laufen mit den Hufen treffen kann.  

Mehr zum Thema findest Du auch hier.

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