Starrer
Blick nach vorne, erhobener Kopf und Vollgas – auf einem durchgehenden
Pferd zu sitzen gehört wohl zu den Horrorszenarien der meisten Reiter.
Doch was tun, wenn das Pferd wirklich durchgeht? Und gibt es eine
Möglichkeit, dass Durchgehen im Vorfeld zu verhindern?
Ich
selbst kenne das Gefühl der absoluten Machtlosigkeit auf einem
durchgehenden Pferd nur allzu gut – eine frühere Reitbeteiligung von mir
war ein notorischer Durchgänger. Vor jedem Galopp habe ich ein
Stoßgebet zum Himmel geschickt, dass es nicht schon wieder passiert.
Genutzt hat es selten etwas. Heute weiß ich, dass ich damals viel falsch
gemacht habe und vieles übersehen habe. Damit Euch das nicht auch
passiert, habe ich hier alle wichtigen Infos zum Thema Durchgehen für
Euch zusammengefasst.
Warum gehen Pferde durch? Ebenso wie beim
Buckeln,
gibt es auch für das Durchgehen eine Vielzahl an möglichen Ursachen.
Diese können je nach Pferd und Charakter ganz unterschiedlich ausfallen.
(Ein
häufiger Grund ist jedoch, dass sich ein Pferd schlicht und ergreifend
vor etwas erschreckt und flieht.) Ein durchgehendes Pferd, egal wie es
zum Durchgehen gekommen ist, befindet sich im kompletten Fluchtmodus.
Die analytische, linke Gehirnhälfte ist abgeschaltet und es handelt nur
noch rein instinktiv. Und dieser Instinkt sagt: Du musst weg und zwar so
schnell wie möglich!
Ausgelöst
werden kann diese instinktive Handlungsweise zum Beispiel durch
Erschrecken. Das Pferd erschreckt sich vor einem Gegenstand, einer
Bewegung oder ein Geräusch so sehr, dass der Fluchtinstinkt einsetzt.
Auch Schmerzen können eine Ursache dafür sein, dass Pferde kopflos
losrennen. Drückt zum Beispiel der Sattel auf einen ohnehin schmerzenden
Rücken,
kann auch dieser Schmerzreiz zum Fluchtreflex und damit zum Durchgehen
des Pferdes führen. Bei meiner ehemaligen Reitbeteiligung wurden später
Kissing Spines
diagnostiziert. Kein Wunder also, dass die arme Maus unterm Sattel
wahnsinnige Schmerzen hatte, denen die zu entkommen versuchte. Damals
wusste ich leider noch nicht wie sich Rückenschmerz zeigen.
Mehr zum Thema Rückenprobleme beim Pferd erfährst Du in
diesem Artikel.
Seltener
kommt es vor, dass sich Pferde "heiß rennen", also im Galopp ohne
erkennbaren Grund plötzlich immer schneller werden und nicht mehr zu
kontrollieren sind. Doch auch das kommt vor. Auch hier spielt der
Fluchtreflex eine Rolle. Es kann passieren, dass durch das Laufen selbst
Adrenalin und andere Botenstoffe im Pferd ausgeschüttet werden, die zum
instinktiven Durchgehend führen. Dies passiert besonders dann, wenn
zwei oder mehr Pferde zusammen unterwegs sind, da dann zusätzlich noch
der Herdentrieb greift.
Hier
gibt es allerdings einen Unterschied zwischen tatsächlichen durchgehen
Pferden und Pferden, die einfach ein Wettrennen miteinander
veranstalten, zudem die Reiter kurzerhand ausgeladen werden. Hier liegt
dann eher ein Brems- und Kommunikationsproblem zwischen Pferd und Reiter
vor, das grundlegend geklärt werden sollte. Ein unsicherer Reiter, der
im Galopp unruhig wird oder sogar anfängt zu klammern, kann eine Ursache
dafür sein, dass ein Pferd scheinbar grundlos aus dem Galopp durchgeht.
Früherkennung – das Pferd stoppen, bevor es durchgeht
Erschreckt
sich Dein Pferd nicht komplett unvorhersehbar, gibt es in der Regel
einige Anzeichen dafür, dass es im Begriff ist durchzugehen. Kannst Du
diese Zeichen lesen, stehen die Chancen gut, dass Du Dein Pferd stoppen
kannst, bevor es tatsächlich durchgeht.
Wie
oben erklärt, entsteht das Durchgehend dem Fluchtreflex. Der Körper des
Pferdes schaltet also in einen Modus, indem das schnelle Weglaufen das
Wichtigste ist. Die Muskulatur spannt sich an, der Hals richtet sich auf
und der Kopf geht nach oben. Das Pferd beginnt einen Punkt in der Ferne
zu fixieren und nach vorne zu ziehen. Die Herzschlagfrequenz erhöht
sich und auch der Atem wird schneller.
Bemerkst
Du diese Anzeichen, solltest Du versuchen Dein Pferd zu beruhigen und
es abzubremsen, um zu verhindern, dass der Instinkt komplett die
Kontrolle übernimmt und Du sie verlierst. Werde hierbei aber auf keinen
Fall unruhig oder hektisch. Dieses Gefühl können sich aufs Pferd
übertragen und die Situation noch verschlimmern. Atme durch und gib
klare, ruhige Hilfen.
Ein durchgehendes Pferd bremsen Doch
was, wenn Dein Pferd (trotz aller Vorsicht) doch einmal durchgeht? Dann
ist vor allem eins besonders wichtig: Ruhe bewahren.
Gerät
der Reiter in einer solchen Situation in Panik, wird alles nur noch
schlimmer. Deine Panik verstärkt die Panik des Pferdes und Du kannst
nicht mehr klar denken. Also erst einmal durchatmen.
Atme
in ruhigen, tiefen Zügen ein und aus. Das beruhigt Dich und kann sich
zugleich auch positiv auf Dein Pferd auswirken. Setz Dich tief und
schwer in den Sattel und versuche so Dein Pferd mit Gewichtshilfen dazu
zu bringen, langsamer zu werden. Leider lehnen sich viele Reiter auf
einem durchgehenden Pferd aus Reflex nach vorne oder gehen sogar
komplett in den leichten Sitz um die Balance besser halten zu können.
Dadurch gibst Du dem Pferd aber nur den Rücken frei, wodurch es
ungehindert weiterlaufen kann. Im schlimmsten Fall drückt der Reiter
hierbei sogar noch die Beine ans Pferd und klemmt sich fest, was das
Pferd ungewollt weiter vorwärtstreibt. Ein weiterer Reflex viele Reiter
ist es in einer solchen Situation an beiden Zügeln zu ziehen. Das hat in
der Regel allerdings nur die Wirkung, dass das Pferd durch den
entstehenden Schmerz noch weiter angestachelt wird. Versuche eher
wechselnde Paraden an jeweils einem Züge zu geben. So bringst Du das
Pferd vielleicht in eine leichte Biegung, tust ihm nicht weh und kannst
eher zu ihm durchdringen.
Du kannst Deinem Pferd das Laufen und somit auch das Durchgehend weiter erschweren, indem Du es gegen einen Berg oder Hügel länkst,
so dass es bergauf laufen muss. Alternativ eignen sich auch tiefe Böden
oder Wasser. Bei tiefen Böden musst Du allerdings aufpassen, dass Dein
Pferd nicht stecken bleibt oder stolpern kann. Das wäre in vollem Galopp
lebensgefährlich.
Auch
mit einem Notstopp, bei dem Du Deinem Pferd den Kopf seitlich
rum nimmst, wäre ich bei diesem Tempo sehr vorsichtig. Die Gefahr ist
groß, dass Dein Pferd das Gleichgewicht verliert und ihr Euch gemeinsam
überschlagt. Versuche eher, Dein durchgehendes Pferd zum Beispiel auf
einem Feld auf einen großen Zirkel bzw. eine große Kreisbahn zu lenken.
Durch die gebogene Form kann ein Pferd nicht mehr allzu schnell
vorwärts laufen und Du bringst es nicht so schnell aus dem Gleichgewicht.
Indem Du den Zirkel nach und nach verkleinerst, kannst Du Dein Pferd
immer weiter ausbremsen.
Klappt
das alles nicht und Du kommst gar nicht mehr zu Deinem Pferd durch,
versuche es auf einen Weg zu lenken, auf dem es sich ausrennen kann. Das
heißt, dass es solange rennen kann, bis ich das Adrenalin im Blut
soweit abgebaut hat,
dass es in der Lage ist, sich von selbst wieder etwas zu beruhigen. Ich
bin kein großer Fan dieser Methode und würde sie auch nur als
allerletzten Ausweg nehmen. Selbst auf einem überschaubaren Weg, können
unvorhersehbare Dinge passieren oder Fußgänger auftauchen, die im
Renntempo sehr gefährlich werden können. Manchmal geht es aber einfach
nicht anders. Auch hier ist wichtig, dass Du ruhig bleibst, gleichmäßig
atmest und Dich tief in den Sattel des.
Übrigens, je besser Dein Pferd allgemein auf Deine Hilfen reagiert, desto größer sind Deine Chancen, dass es dies auch in Notsituationen tut. Es ist also immer wichtig und hilfreich an der Durchlässigkeit Deines Pferdes zu arbeiten und dafür zu sorgen, dass es so fein wir möglich wird.
Ein Plädoyer für feine Hilfengebung